Der Kava-Anbau wird meist in Mischkultur (mit Kakao- oder Bananenstauden oder
Kokospalmen) betrieben. Nach einer Zeit von etwa 3-4 Jahren hat die Pflanze
eine Größe erreicht, die das Ausgraben des Wurzelstockes mit den
Wurzelausläufern sinnvoll und ertragreich macht. Die heute arzneilich
verwendete Droge Rhizoma Piperis methystici ist der getrocknete, geschnittene
und geschälte Wurzelstock ohne basale Sprossteile und ohne Seitenwurzeln.
Wirkstoff: Kavapyrone
Die wirksamkeitsbestimmenden Substanzen der Pflanze werden Kavapyrone oder
Kavalactone genannt. Mindestens 12 Einzelpyrone lassen sich unterscheiden,
mengenmäßig dominieren allerdings 6 Pyrone. Diese 6 Vertreter der
pharmakologisch untersuchten und hinsichtlich ihrer pharmakologischen Wirkung
einzeln untersuchten und definierten Substanzen sind Kavain, Dihydro-Kavain,
Yangonin, Desmethoxy-Yangonin, Methysticin und Dihydro-Methysticin.
Pharmakologie
Synergismus der Kavapyrone
Für alle diese Kavapyrone sind Einzelwirkungen bekannt; allen
Kavapyronen aber ist der beruhigende (sedierende), der angstlösende
(anxiolytische) und der entspannende (muskelrelaxierende) Effekt gemeinsam.
Die Kavapyrone aus dem Kava-Extrakt zeigen pharmakologisch gleichsinnige
Wirksamkeit und untereinander Synergismus. Dieser in pflanzlichen Extrakten
enthaltene Kavapyron-Wirkstoffkomplex ist wichtig, da z.B. Yangonin und
Desmethoxyyangonin oral alleine wenig wirksam sind, aber mit den anderen
Kavapyronen zusammen erheblich zur Gesamtwirkung beitragen. Enolide - wie
Kavain oder Methysticin - wirken mit Dienoliden - wie Yangonin oder
Desmethoxyyangonin - synergistisch und überadditiv. Der genaue
Mechanismus hierfür ist noch nicht geklärt, wahrscheinlich ist
auch eine Resorptionsförderung ein Teilfaktor.
Der natürliche und auf den Wirkstoffgehalt standardisierte
Kavapyron-Gesamtkomplex ist deshalb den isolierten Einzelsubstanzen
pharmakologisch überlegen.
Pharmakokinetik
Die Löslichkeit der Kavapyrone in Wasser ist sehr gering, die
einzelnen Komponenten werden unterschiedlich schnell resorbiert und
eliminiert: Kavain und Dihydro-Kavain werden aus dem Gastrointestinaltrakt
von Versuchstieren innerhalb von 10-15 min resorbiert und innerhalb von
45-60 min weitgehend aus dem Organismus eliminiert, bei Methysticin und
Dihydro-Methysticin und Yangonin verlaufen Resorption und Elimination
langsamer. Kavapyrone werden teils über die Niere, teils mit dem
Faeces ausgeschieden. Als Metaboliten existieren sowohl Derivate mit
intaktem Pyronring als auch Ringöffnungsprodukte. Ein Teil der
Kavapyrone wird unverändert mit dem Faeces ausgeschieden.
Pharmakodynamik
Kavapyrone wirken auf das zentrale Nervensystem ein und haben
zusätzlich periphere Angriffspunkte, was durch tierexperimentelle
Untersuchungen belegt worden ist. Einen Überblick über die
unterschiedlichen beobachteten Effekte von Kava, die jedoch nicht
unbedingt alle klinisch relevant sein müssen, gibt die folgende
Tabelle.
Zentrale Effekte der Kavapyrone
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Anxiolyse
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Der anxiolytische Effekt der Kavapyrone ist bestätigter Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis
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Sedation
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Kavapyrone wirken sedativ, aber nicht hypnotisch
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tranquilisierende Effekte
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Kavapyrone wirken durch die Verringerung der Erregbarkeit des limbischen Systems tranquilisierend
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Muskelrelaxation
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Kavapyrone wirken wie ein mephenesinartiges zentrales Muskelrelaxans
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Motilitätshemmung
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Die verminderte Spontanmotilität geht mit einer Senkung der Körpertemperatur und des Gesamt-O2-Verbrauchs einher
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Wirkungsverstärkung von Alkohol
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Die verstärkte hypnotische Wirkung tritt bei hoher Dosierung im Tierexperiment auf
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Narkosepotenzierung
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Die Wirkung von Narkotika wird verlängert und vertieft
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antikonvulsiver Effekt
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Ein hemmender oder mildernder Effekt gegenüber
zentral bedingten, z.B. epileptischen Krämpfen ist
damit möglich
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kaum antipsychotischer Effekt
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Im Gegensatz zu Chlorpromazin und Haloperidol haben
Kavapyrone kaum antipsychotische Wirkung
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Periphere Effekte
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Beeinflussung der Muskelkontraktilität
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Kavapyrone greifen direkt am Muskel an und vermindern
dort die postsynaptische Sensitivität
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Lokalanästhesie
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Der deutlich lokalanästhetische Effekt entspricht
dem der gebräuchlich verwendeten
Lokalanästhetika
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Endoanästhesie
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Durch Dämpfung innerer sensibler Organ- und
Gewebsrezeptoren z.B. am Herzen, kann die Ruhigstellung
nervöser Störungen herbeigeführt werden
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analgetische Wirkung
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Die analgetische Wirkung kommt über sog.
Non-Opioid-Rezeptoren zustande
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Spasmolyse
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Kavapyrone zeigen spasmolytische Wirkung auf isolierte
glattmuskuläre Organe (Ileum, Uterus)
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Klinische Wirksamkeit
Schon vor mehr als 200 Jahren hatte die überaus deutliche Wirkung des
Kava-Trunks auf den menschlichen Körper, insbesondere auf dessen
Nervensystem, die Aufmerksamkeit der Südsee-Besucher geweckt. Sie
berichteten über die Kava-Wirkungen, der Dämpfung von
Gemütserregungen, dem Gefühl der Schwerelosigkeit und auch einer
deutlichen Erleichterung des Einschlafens insbesondere nach einem harten
Arbeitstag.
Die pharmakologischen Wirkungen von Kava, die zunächst im
Tierversuch erkannt wurden, sind später in klinischen
Untersuchungsreihen bestätigt worden. Durch publizierte
Erfahrungsberichte aus Arztpraxen und Kliniken sowie Doppelblindstudien
kann man in Kenntnis der inzwischen zahlreich vorhandenen wissenschaftlichen
Literatur feststellen, dass die anxiolytische, die sedierende und die
relaxierende Wirkung der Kavawirkstoffe im Mittelpunkt stehen und die
besondere Bedeutung dieser Droge ausmachen.
Stress und Unruhe
Kavapyrone reduzieren psychovegetative und psychosomatische Beschwerden.
Sie vermindern Spannungs- und Erregungszustände. Als Beispiel sei eine
multizentrische Studie angeführt, in der insgesamt 863 Patienten mit
psycho-vegetativen und vegetativen Störungen vier Wochen lang mit
Kavapyronen in individueller Dosierung behandelt wurden. Die Kavapyrone
reduzierten bei über 80% der betroffenen Patienten Nervosität,
Angstzustände, Abgeschlagenheit, Getriebenheit, Schweißausbruch,
Herzklopfen, Kreislaufbeschwerden und Magen-Darm-Störungen.
Anxiolyse
Kava eignet sich besonders zur Angstlösung bei leichten und
mittelschweren Angstzuständen, Entspannung, Beruhigung und
Antriebssteigerung machen sich bemerkbar.
Beispielhaft sei erwähnt, dass in einer Doppelblindstudie Kava
vergleichend zu Benzodiazepinen geprüft wurde. In der mit drei
randomisierten Gruppen durchgeführten Studie bekam eine Gruppe Kava,
eine Gruppe Bromazepam und eine Gruppe Oxazepam. Es ergab sich eine
deutliche Verringerung der Angstausprägung bei den untersuchten
172 Patienten aller drei Gruppen, die mit Hilfe der Hamilton-Angst-Skala
(HAMA) objektiviert wurde. Während der sechs Behandlungswochen ergab
sich kein signifikanter Unterschied der HAMA-Scores aller drei
Behandlungsgruppen, so dass Kava eine vergleichbare Wirkung bei chronischen
Angstzuständen zeigte wie die untersuchten Benzodiazepine.
Kava und ältere Patienten
Etwa die Hälfte aller psychischen Erkrankungen beim älteren
Menschen werden von Angststörungen begleitet. Sie gehören damit
zu den meist verbreiteten und wichtigsten psychischen Erkrankungen im
höheren Lebensalter.
Die Wirkung von Kavapyronen auf ältere Patienten mit neuro-vegetativen
und psychischen Symptomen wurde ebenfalls klinisch an 40 älteren
Patienten mit neurovegetativen und psychischen Symptomen untersucht.
Die Abnahme von innerer Unruhe (100%), psychischer Belastung (85%),
Schlaflosigkeit (97%) und Müdigkeit (97%) waren sehr ausgeprägt.
Wirkprofil:
Tranquillans ohne Abhängigkeitsrisiko Tranquillantien unterscheiden
sich von Sedativa darin, dass ihnen die antipsychotische Wirkung fehlt und
die sedierende Wirkung bedeutend langsamer in den hypnotischen und
narkotischen Zustand übergeht (d.h. sie besitzen eine flache
Dosis-Wirkungs-Kurve).
Die Kavapyrone wirken auf das zentrale Nervensystem und hier gezielt auf
das limbische System, das Angriffspunkt auch für die so genannten
chemischen Tranquilizer wie z.B. Diazepam ist. Kavapyrone wirken also durch
die Verringerung der Erregbarkeit des limbischen Systems tranquilisierend.
Nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen eignen sich
kavapyronhaltige Arzneimittel als Alternative zu den klassischen
Tranquilizern in der Therapie von Angstzuständen.
Der entscheidende Vorteil von Kava liegt darin, dass Kavapyrone, nach
allen vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, im Gegensatz zu den
chemischen Benzodiazepinen - wie Diazepam - keine Sucht auslösen, also
keine Abhängigkeit erzeugen. Selbst bei hoher Dosierung (400 bzw. 600
mg/die) haben Kavawirkstoffe kein Suchtpotenzial. Aus diesem Grund sind aus
Kava gewonnene Präparate nicht rezeptpflichtig. In den erforderlichen
therapeutischen Dosen gibt es keine hypnotischen, im Sinne von müde
machenden, Effekte. Im Mittelpunkt der Wirkung steht Entspannung, innere
Ruhe und Ausgeglichenheit.
Nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen eignen sich
kavapyronhaltige Arzneimittel als Alternative zu den klassischen
Tranquilizern in der Therapie von Angstzuständen aufgrund ihrer
fehlenden hypnotischen Eigenschaften. Zudem besteht keine Suchtgefahr und
kein Abhängigkeitsrisiko, so dass sie sich auch für eine
Langzeittherapie eignen.
Nebenwirkungen
Neben den sehr positiven Eigenschaften der Kava-Kava-Präparate im
langjährigen Einsatz wurde nun in den letzten zwei Jahren beobachtet,
dass bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen
auftreten könnten: die Kausalität eines Zusammenhanges mit einer
Kava-Kava-Behandlung und Leberschädigung kann als »möglich bis
wahrscheinlich« beurteilt werden.
Kava-Kava- oder Kavain-haltige Arzneimittel können offenbar
hepatotoxische Reaktionen auslösen, deren Schwere über ein nach
den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß
hinausgeht.
Kava-Kava- oder Kavain-haltige Arzneimittel können offenbar
hepatotoxische Reaktionen auslösen.
Zur Zeit liegen 24 Spontanberichte über Verdachtsfälle
unerwünschter Arzneimittelwirkungen mit Leberbeteiligung vor.
Unter ihnen befinden sich Meldungen über gravierende hepatotoxische
Wirkungen bis hin zu Leberversagen, (cholestatische) Hepatitis oder
Leberzirrhose. Der Zusammenhang mit der Kava-Kava- oder Kavain-haltigen
Arzneimittelgabe wird in achtzehn dieser Fälle als wahrscheinlich
oder möglich eingestuft. In fünf Fällen wurden diese
Reaktionen ohne Komedikation und nach Einnahme von Arzneimitteln
beobachtet, die nur den wirksamen Bestandteil Kava-Kava oder Kavain als
Reinsubstanz enthalten.
Serologische Untersuchungen auf Hepatitis-Antikörper waren negativ.
In einem Fall handelte es sich um eine 60-jährige Patientin mit akutem
Leber- und Nierenversagen, die unter dem klinischen Bild progredienter
Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust und Ikterus stationär aufgenommen
worden war. Eine Leberbiopsie zeigte das Bild von ausgedehnten
hepatozellulären Nekrosen mit intrahepatischer Cholestase. Der zweite
Fall betrifft eine 22-jährige Patientin, bei der eine
Lebertransplantation nach fulminantem Leberversagen erforderlich wurde.
Sie hatte 4 Monate lang täglich 240 mg Kavapyrone eingenommen, das dem
Zweifachen der zugelassenen Tagesdosierung (120 mg) entspricht. Die
histologische Untersuchung der Leber der Patientin zeigte ein stark
verkleinertes Organ mit ausgeprägter Nekrose und
Parenchymzerstörung. Der dritte Fall betrifft eine 50-jährige
Patientin, die mit Ikterus und erhöhten Bilirubin-Werten
stationär aufgenommen wurde. Sie hatte sieben Monate lang täglich
60 mg Kavapyrone eingenommen.
Der Mechanismus dieser unerwünschten Wirkungen ist nicht bekannt.
Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse wird von
einer dosisabhängigen toxischen Arzneimittelreaktion ausgegangen.
Die oben beschriebenen schwerwiegenden hepatotoxischen Reaktionen sind
histologisch als toxische Arzneimittelreaktionen gesichert. Die Art der
Aufbereitung der Ausgangsstoffe und die Herstellungsmethode der
Kava-Extrakte (Ethanol- bzw. Acetonextrakt) scheint dabei keinen bestimmten
Einfluss zu haben. Es ist zur Zeit nicht bekannt, ob die als wirksam
angesehenen Inhaltsstoffe (Kavapyrone), oder andere, ebenfalls in dem
pflanzlichen Extrakt von Piper methysticum enthaltene Bestandteile für
die unerwünschten Wirkungen verantwortlich sind. Ebenso wenig kann zum
gegenwärtigen Zeitpunkt ein Grenzwert, von dem an mit einem Auftreten
der oben genannten unerwünschten Reaktionen nicht mehr gerechnet
werden muss, für eine bestimmte Drogenmenge oder einen der
Inhaltsstoffe festgelegt werden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nach derzeitigem
Erkenntnisstand der begründete Verdacht besteht, dass Kava-Kava- und
Kavain-haltige Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch
offenbar hepatotoxische Reaktionen auslösen können, die über
ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares
Maß hinausgehen. Die zuständige Behörde in Deutschland
(Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM) hat
bereits die Hersteller von Kava-Präparaten aufgefordert, innerhalb von
vier Wochen zu den hepatotoxischen Reaktionen Stellung zu nehmen, und
beabsichtigt, die Zulassungen von Kava-Kava-haltigen Präparaten und
Arzneimitteln mit synthetischem Kavain einschließlich
homöopathischer Zubereitungen mit einer Endkonzentration bis D6 zu
widerrufen. Bei Abschätzung des Nutzens zu den möglichen Risken
ist verständlich, dass die österreichische Behörde dem
deutschen Beispiel folgen will, bis die Zusammenhänge geklärt
sind. Das heißt, das österreichische Ministerium hat ebenfalls
ein entsprechendes Verfahren eingeleitet.
Literatur bei den Autoren
Univ.-Prof. Mag. pharm. Dr. Brigitte Kopp,
a.o. Univ.-Prof. Dr. Liselotte Krenn
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