Von der alten Kräutermedizin zur modernen Phytotherapie
Die Erkenntnisse dieser Pflanzenheilkundigen gingen in die im Mittelalter beginnende
"wissenschaftliche" Medizin ein. Ein berühmter Vertreter der ärztlich eingesetzten
Pflanzenheilkunde war Paracelsus (1493–1541). Er erkannte als erster, dass die
Wirkstoffmenge darüber entscheidet, ob eine Pflanze als Arznei oder als Gift wirkt. "Alle
Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift
ist."
Erst im 19. Jahrhundert setzte eine wissenschaftliche Betrachtungsweise der Heilpflanzen
und ihrer Inhaltsstoffe im heutigen Sinn ein. Mittels chemischer Arbeitsmethoden begann
man, einzelne Wirkstoffe aus den Pflanzen zu isolieren. So etwa wurden aus dem
Schlafmohn (Opium) das Morphin, aus der Tollkirsche das Atropin und aus dem roten
Fingerhut das Digitoxin isoliert. Diese Stoffe sind aus der modernen Medizin bis heute
nicht wegzudenken. Durch die chemische Isolierung reiner Wirkstoffe aus Giftpflanzen
konnte man nun auch das frühere Problem der risikoreichen, nicht immer genau
bestimmbaren Dosierungsmenge umgehen. Es wurde möglich, die einzelnen Wirkstoffe in
Tabletten, Tropfen oder Salben exakt zu dosieren und sie genau so wie synthetisch
hergestellte anzuwenden.
Reinsubstanzen werden jedoch nicht als Phytotherapeutika bezeichnet. Das Faszinierende
an pflanzlichen Arzneimitteln ist die Vielzahl von Wirkstoffen in diesen Präparaten.
Bis heute gibt es Pflanzen, bei denen trotz intensiver Beforschung die Wirkstoffe nicht
bekannt sind, die Wirksamkeit allerdings nicht nur aus der Erfahrung, sondern auch in
vielen Fällen durch klinische Studien belegt ist. Solche Stoffgemische werden in der
modernen Phytotherapie angewendet.
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